Jahr 1940

Weihnachten 1940, Alf als Josef, Maita als Engel

B/E: In Madrid hatten wir uns gut eingemeindet, obwohl in der Bevölkerung allgemein große Not, auch Hungersnot, als Nachbürgerkriegs- und 2.Weltkriegsfolgen herrschte, nur nicht bei uns "Diplomaten", die wir über die Deutsche Botschaft bestens versorgt wurden. Reiten lernen und Tennis wurden Mode und wir Jugend natürlich eifrigst dabei. Vorerst herrschte viel Jubel, sowohl in deutschen, wie auch in spanischen (jedenfalls offiziellen) Kreisen über den für das"1000 jährige Reich" siegreichen Kriegsverlauf.

Beim Baden in Piedralaves F/U: Die Sommerferien verbrachten wir in Piedralaves (Avila), wo Papa eine alte, aber sehr schöne Villa gemietet hatte. Es gab da eine herrliche Stelle am Fluss ("gorga" auf Katalonisch) zum Baden und ich recht waghalsig vom hohen Felsen zu springen, zum Entsetzen meiner Tante Margarita Goller (mit Cousine Carmen auch in Piedralaves zu Besuch) und zur Bewunderung anderer Zuschauer. Wir hatten damals schon Luftgewehre und schossen auf Eidechsen und Spatzen (heute wurde ich solchen Tätern eine runter hauen), aber einmal ging ein Schuss daneben (von einem Freund) und Bruder Karlos bekam die Bleikugel in den Oberschenkel und der Onkel Doktor vom Dorf veranstaltete ein echtes Massaker, um das Stückchen Blei rauszuholen. Ostern in diesem Jahr waren wir, jedenfalls Karlos und ich, zu Reitferien in Cercedilla, auf unmöglichen Kleppern galoppierten wir da durch die Wälder.

Jahr 1941

B/E: Das Jahr brachte weitere Eskalation des 2. Weltkrieges, das Deutsche Reich überfällt die Sowjetunion (gegen Nichtangriffspakt) nachdem Polen, Frankreich, Holland und Belgien besiegt und Dänemark und Norwegen besetzt worden waren. Die deutschen Truppen dringen bis vor die Tore Moskaus und große Erfolge im U-Bootkrieg sind auf den Weltmeeren zu verzeichnen. Wir in Madrid hatten keine direkten Kriegsprobleme und lebten ein glückliches Familienleben (nur Vater hatte natürlich seinen "zurückgezogenen" Kriegsanteil = Episode Versenkungen der Schlachtschiffe "Hood" (Großbritannien) und "Bismarck", U-Bootsversorgungen, usw.). Ich wollte werden und wurde HJ-Führer und war bis 1943 Fähnleinführer der Jungen zwischen 10 und 14 Jahren. Unser Treiben war aber insbesondere Sport und Ferienlager, wir waren jung, begeistert und sicher dumm. Schulproblem: ich blieb in der 05 (wegen einer 6 in Englisch!) sitzen.

Karlos und Alf 1941 in Dachau F/U: Den größten Teil des Sommers verbrachten mein Bruder Karlos und ich in Deutschland, erst in Dachau, im Fechterhaus Münchenerstrasse, 55, mit Oma Menzell, Tante Elsa, Onkel Bernhard und Vetter Hans-Joachim (der Ende April 1945 in Österreich fiel, Tage vor Kriegsende). Dann waren wir in einem sogenannten "Führernachwuchslager" im Westerwald, wo man uns, aus Spanien kommende, "Indianer" nannte. Danach und noch wieder von Dachau aus, waren Karlos und ich auf einen 14 Tagekurs in der Segelschule des Hochseesportverbandes "Hansa" in Diessen am Ammersee. Wir bekamen beide unseren Seglerschein, aber nur ich habe später davon Nutzen gehabt.

Jahr 1942

Alf und Traudel auf dem Retiro-See, Madrid, 1942 B/E: Nach der "Siegeswelle", 1939-1941, begann die Wende im Verlauf des 2. Weltkrieges. Es begann mit Stalingrad, in welche mitentscheidende Schlacht auch mein Vetter Hans-Joachim hineingezogen wurde (aber damals noch glücklich ausgeflogen). Aber in Madrid leben wir weiter friedlich und gut, relativ fern der grauenhaften Geschehnisse, die schon waren und sich noch barbarisch steigern sollten. Ich, damals 16 Jahre jung, begann mich zu mausern und erste "Liebeskontakte" anzubahnen. Erst Traudel Menzel, dann Lilo Rail (alles so jugendlich romantisch, mit Ruderpartien auf dem See im Retiro-Park von Madrid), dann aber beginnender Kontakt zu Margret Stursberg, die sich tief in mein jugendliches Herz eingeschlichen hatte. Konfirmation, Madrid, 1942 Wir hatten sehr viele Jugendfreunde: Fritz Lamprecht, Theo Schäfer, Pipo und Julio Medem, Kuno Uhlmann und wir feierten, trotz Kriegszeiten, viele Feste und trieben viel Sport. Ostern dieses Jahres wurden Karlos und ich, trotz oder gegen Hitlerzeit, konfirmiert und mit uns weitere 11 Mitschüler, darunter Margret, später Maita, Stursberg. Wir drei Kinder verbrachten einen Teil des Sommers wieder in Dachau bei München, im Fechterhaus, danach Karlos und ich in einem sogenannten "Schiesslehrgang" (mit Luftgewehren!) 14 Tage in Germeter bei Düren und danach weitere 14 Tage in Stralsund, auf einem Lehrgang auf dem Segelschulschiff der Kriegsmarine, "Horst Wessel". In München durften Karlos und ich in der Artilleriekaserne, in der Onkel Bernhard Fechter Kommandeur war, Reiten und vor allem Pferde striegeln.

Alf im Lager Germeter bei Dueren, Ammersee Alf auf dem Segelschulschiff Horst Wessel, 1942 Alf und Karlos, Stralsund, 1942

Jahr 1943

B/E: Ehrungsgriff Habt acht! Spaten über! Trotz Kriegsverlauf, beginnend negativ für das Dritte Reich, den wir aber in Madrid nicht so sehen wollten oder konnten, meldete ich mich freiwillig zum Kriegsdienst als Marineoffizieranwärter (unterstützt durch die Familientradition und die äußeren Umstände, hatte ich mich voll darauf eingestellt). Damals begann die Festigung der jugendlichen Liebesbande, die durchhalten sollten, zwischen Margret Stursberg und mir. Im November beendete ich meine Schulzeit in der Deutschen Oberschule Madrid, 5 Monate vor der Abiturprüfung (Reifevermerk = Notabitur bekam ich Anfang 1944, als meine Schulklasse das Abitur abschloss). Im Dezember, ich war eingezogen worden, begann ich den "Arbeitsdienst" in Ruwer bei Trier. Eine harte Zeit, mir erfroren in zu engen Stiefeln die großen Zehen, wir mussten in einem über 150 Jahre altem Friedhof Deckungsgräben für den Luftschutz ausgraben und -jung und dumm wie wir waren- "montierten" aus Knochenresten ganze Skelette zusammen! Ich hatte ein barbarisches Heimweh und weinte, wie ein kleines Kind, mehr als einmal in die Kissen, obwohl ich wohl schon ein ganzer Mann sein sollte. Trotz dieser "Kindereien" wollte ich nichts, als sehr bald zur Kriegsmarine einberufen zu werden. Erst einmal aber musste ich drei harte Monate, strenger Winter, im Arbeitsdienst in Ruwer überstehen.

F/U: Alf und Karlos in Rocafosca In diesem Jahr hatten wir noch herrliche Sommerferien, die Eltern und wir drei Kinder, in Rocafosca bei Palamós (Hotel Rocafosca). Mit Papa segelten wir und unternahmen Bootsfahrten mit Fischern, vor Morgengrauen bis zum Vormittag. Wir unternahmen einen Kurzbesuch in Darnius, ohne weiteren Aufenthalt und besuchten Familie Goller, die in Premiá de Mar Ferien machten. Danach noch ein letztes HJ Ferienlager meiner "Nazi"-Zeit, in Cauterets (Südfrankreich), wo wir damals schon praktisch nur in Zivil gekleidet herumliefen, wohl aus Angst um "Maquis". Da aber Frankreich noch "ganz in unserer Hand" war, fuhren Fritz Lamprecht und ich nach Paris, eingeladen in ein BDM-Lager! Wir jungen Affen wurden wie Offiziere eingestuft und in einem Hotel blendend einlogiert.

Im BDM-Lager mussten wir einmal übernachten und ich in einem Zimmer mit drei Mädchen und wie peinlich war es mir, mich auch nur halb auszuziehen! Damals, von Cauterets aus, besuchten wir Lourdes und versuchten eine Besteigung des Vignemales - Gebirge. Von wegen der damals aktiven französischen "Maquis", durften/mussten wir meist in Zivilklamotten herumlaufen, aber der äußere Anschein des großen "Reiches" wurde noch gewahrt.

Jahr 1944

Arbeitsdienst, Ruwer bei Trier Infanterieausbildung, Stralsund, 1944 B/E: Bis Ende Februar war ich weiter im Arbeitsdienst in Ruwer bei Trier. Irgendwann wurde uns ein Besuch in Luxemburg organisiert, mit Besichtigung der schönen Stadt und einmal musste ich mit einem Kameraden in die Vogesen fahren, um an der Beerdigung eines durch Bombenangriff umgekommenen Arbeitsdienstmannes teilzunehmen. Wir wurden von den Eltern des jungen Toten großartig aufgenommen, untergebracht und bewirtet, nur der Tote selbst war nicht da, irgendwo unterwegs im hohen Schnee steckengeblieben. Wir vertrieben uns die Zeit fast zwei Tage mit Schlittenfahren, mit Mädchen aus einem weiblichen Arbeitsdienstlager und fuhren ab, ohne dem Kameraden "die letzte Ehre" erwiesen zu haben.
Mich erreichte dann, Ende Februar, die Einberufung zur Kriegsmarine und zwar erst mal zur "Musterung" nach Stralsund (Ostsee). Alle Prüfungen, psychologischer, sportlicher, kultureller Art (denn zum damaligen Zeitpunkt tat man noch so, als würde das Reich, eben, 1000 Jahre alt werden) gingen glatt über die Bühne, aber laut der ärztlichen Untersuchung (man war auch da pütscherich und genau, ich muss natürlich sagen in positivem Sinne) waren meine Lungenspitzen angegriffen, ich wurde zurückgestellt und zu meinem (damaligen) Entsetzen nach Spanien zurück geschickt. Vielleicht haben mir damals die Marineärzte das Leben gerettet, wer weiß? Vater holte mich damals in Irun ab und wir übernachteten in San Sebastian in einem luxuriösen Hotel an der Concha.
Welche Kontraste von einem Tag auf den anderen. Nach intensiver Untersuchung durch Lungenspezialisten in Madrid (damals schon "Schnittaufnahmen" beim Röntgen) wurde gegen die deutschen Ärzte diagnostiziert und ich für gesund und KV="kriegsverwendungsfähig" befunden. Wie sich dann 7 Jahre später herausstellte, waren die deutschen Ärzte nicht auf dem Holzwege. Ich wurde für Herbst 1944 erneut zum Eintritt in die Kriegsmarine in Stralsund angemeldet. Damals nicht, aber später fragte ich mich: warum dieses halbe Jahr "Schonzeit", wenn ich doch angeblich ganz gesund war? Dieses halbe Jahr war eine reine Ferienzeit in Madrid und dann im Sommer in El Escorial und Zeit der Intensivierung der Jugendliebe zwischen Maita und mir (von damals stammt der Kosename Maita, statt Margret). El Escorial wurde die echte Geburtsstätte unserer Liebe, daran ist heute, 44 Jahre später, wohl nicht zu rütteln. Alf und Maita in El Escorial, Sommer 1944 Wir gingen Brombeeren pflücken, wo es noch gar keine reifen gab und die beste "mora" waren Maitas Lippen (nach längerem Sträuben). Im Oktober war dann meine Abreise nach Stralsund und Beginn meiner "Kriegserfahrung" für "Volk- Führer und Vaterland". Erst infanteristische Ausbildung in der Kaserne "Schwedenschanze", dazwischen auch Aufräumungsarbeiten in den Trümmern der bombardierten Stadt Stralsund und Ende Januar 1945 Einschiffung auf Torpedoboot T-4 der 2. Torpedobootsflottille in Gotenhafen (heute Polen und in Gdingen umgetauft), damals der Stützpunkt der Flottille, von deren 12 Booten bis Mai 1945 nur 3 Boote überlebten, darunter mein T-4, der Rest fiel britischen Fliegern, russischen U-Booten oder Minen zum Opfer. Wir waren nur in der Ostsee im Einsatz, hauptsächlich Geleitzugschutz zwischen Kopenhagen und Libau und später Geleitzugschutz für Flüchtlingstransporte aus dem Osten nach dem Westen. Dramatische Zustände damals, Elend und Tod, das Schlimmste erlebte ich vor der Halbinsel Hela, als russische Flugzeuge, direkt neben unserem Torpedoboot, das Lazarettschiff "Pretoria" bombardierten, bei klarer Sicht und das Lazarettschiff klar als solches gekennzeichnet. Ich schrieb damals ein Logbuch, das war Pflicht, das mir dann aber bei der Gefangennahme durch die Briten abgenommen wurde, daneben aber ein bescheidenes Tagebuch oder Notizen über die Ereignisse und diese behielt ich, heute sehr vergilbt nach 44 Jahren und jetzt kann ich mich nicht enthalten, diese Aufzeichnungen hier abzuschreiben, für mich und im Gedenken an Zeiten und Geschehnisse, die hoffentlich nie wieder für heutige und künftige Generationen ein "noch mal" oder "schon wieder" ermöglichen. Vorher, nur kurz, um im Aufbau dieser Zusammenstellung zu bleiben:

F/U: Ich, im Sommer, praktisch allein (obgleich Familie und Freunde kamen) bei Familie Lorek (er, Hannes, im Marineattachestab der Botschaft als Ingenieur), allerdings war ich täglich bei Familie Stursberg, die ein kleines Haus in El Escorial gemietet hatten. Ich sollte mich "erholen", trotzdem wurde viel Sport getrieben, Wandern und Schwimmen. Und: - l'amour est ci grand - sagte ein Reiter, der Maita und mich sah, wie wir uns im Grase tummelten.

Und nun, im Folgenden, mein direkter Kriegseinsatz, lediglich knapp 3 1/2 Monate, so zusammengefasst, wie er in meinen vergilbten Blättern verzeichnet wurde :

Bei der Kriegsmarine, Okt 1944 bis Mai 1945 Alf in Kadettenuniform, 1944 Alf mit Crew-Kameraden, 1944

Vom 23.1. - 16.5.1945 An Bord des Torpedobootes T-4 der 2. Torpedobootsflottille der deutschen Kriegsmarine. "Das Torpedoboot T-4 ist ein 600 BRGT. Boot und lief im Jahre 1938 von Stapel, wurde im Jahre 1940 in Dienst gestellt. Die Bewaffnung des Bootes besteht aus:
1 10,5 cm. Kanone,
1 4 cm Schnellfeuerkanone,
1 Doppel3,7 cm. Kanone, bzw. Geschütz,
1 2 cm. Vierling,
4 2 cm. Kanonen,
1 Drilling Torpedorohrsatz und 4 "Rag"-

Torpedoboot T-4 Torpedoboot T- von Backbord Alf an Bord von T-4

Außerdem hat das Boot zum Eigenschutz ein MES, verschiedene Nebelanlagen und Minenräumgeräte, dazu Vorrichtungen zum Minenlegen. Die Aufgaben des Bootes sind:

1. Torpedoangriffe;
2. Minenlegen;
3.Minenräumen;
4. Geleitschutz;
5. Aufklärung.

Während meiner Bordzeit haben wir nur Einsätze als Geleitschutz gehabt und haben Minen geräumt (Abwehr von U-Booten und Luftangriffen).
Der Kommandant war Kapt-Ltnt. Brunk;
1.W.O. Obltn.z.See Randzus;
2.W.O. Ltnt.z.See Worch;
L.I. Obltn. Ing. Stöckert.

Das Boot gehört der 2. Torpedobootsflottille an, unser Stationshafen war bis Mitte März 1945 Gotenhafen. Ich war zum Fronteinsatz und zur Kadettenausbildung an Bord, unser Korporal war Oberbootsmaat Watermann. Die Anzahl der Kadetten an Bord waren 11 Mann. Der Flottillenchef war Ritterkreuzträger Korv.Kapt.Paul.

Alf mit Kameraden an Bord von T-4

23.1.1945

Ich bin mit 10 Kameraden, nach der Grundausbildung in der "Schwedenschanze" Stralsund, an Bord von T-4 kommandiert. Nach zweitägiger Fahrt, Ankunft in Gotenhafen. Nach Meldung bei der 2. Torpedobootsflottille, kamen wir auf T-4. Wir brachten unsere Seesäcke an Bord und hatten für diesen Tag nichts weiter zu tun. Unsere (Kadetten) Vorgänger in der Bordzeit sind noch da, sodass wir im Achterdeck, unserem Wohndeck, wie die Sardinen in der Dose hausen. in Kürze steigen die Kadetten aber aus.

24.1.1945

Gleich früh geht es los. Wir sausen im Boot umher, um unsere zukünftige Behausung genau kennen zu lernen. Der erste Eindruck ist ein ziemliches Wirrwarr, aber das dürfte sich noch ändern. Was wir nie gedacht hatten geschieht, schon heute sollen wir das erste Mai in See gehen. Die Lage um Gotenhafen fängt an mulmig zu werden und so bekommen wir einen Haufen Flüchtlinge (aus dem Osten) an Bord und wir sollen nun ein Geleit nach Swinemünde bringen. um 12:30 Uhr, kurz nach dem Mittagessen, ist Seeklar und es geht raus. Unser Geleit sammelt sich vor Hela und nimmt Kurs auf Swinemünde. Bei mäßig bewegter See, verläuft die Fahrt bis kurz vor Ende glatt und nun stehe ich meine erste Kriegswache. Eine Wache sind immer 4 Stunden. Im Winter, bei Saukälte und Seegang ein sehr zweifelhaftes Vergnügen, aber... c'est la guerre.

25.1.1945

Den ganzen Tag in See in Richtung Swinemünde. In der Nacht liefen wir in Swinemünde ein. Kurz vor der Hafeneinfahrt hatten wir die einzige "Panne" des Unternehmens, als wir ein Wrack rammten. Unser Boot erlitt nur leichte Beschädigungen, die es aber notwendig machten, nach Stettin in die Werft zu gehen. Wir luden in Swinemünde die Flüchtlinge aus und auch unsere Vorgänger gingen von Bord, so dass wir uns einrichten konnten.

26.1.1945

Sehr früh war wieder Seeklar und wir fuhren in Richtung Stettin. um ins Dock zu gehen. Das Stettiner Haff war völlig vereist, so dass wir einen Eisbrecher benötigten. Abends waren wir in Stettin.

27.1. - 11.2.1945

Am 27. Januar gingen wir ins Trockendock, wo wir bis zum 11. Februar blieben. Während der Zeitspanne hatten wir Ausbildungsdienst an den Waffen und in seemännischen Themen. Ich bin an der 10,5 cm-Kanone. Am 8. Februar wurde das Diensteinerlei durch einen schweren Fliegerangriff auf Stettin unterbrochen. Wir mussten dabei von Bord, da im Dock ein Schiessen nicht möglich war. Die Stadt brannte ziemlich, das Dockgebiet wurde jedoch nicht getroffen.

11.2.1945

Wir sind wieder seeklar. Heute machten wir eine M.E.S.-Fahrt zum prüfen des M.E.S. Dabei kamen wir in die Nähe des Flugzeugträgers "Graf Zeppelin", der in Stettin liegt. Sonst wurde heute alles für die kommenden Unternehmen klar gemacht.

12.2.1945

Um 7:00 Seeklar. Wir verlassen Stettin und fahren nach Swinemünde, wieder durch das völlig vereiste Haff. Ohne Eisbrecher ist kein Durchkommen. Abends kamen wir in Swinemünde an und legten uns an die Pier.

13.2.1945

Vormittags war große Aufregung, weil eine F.d.Z. (Führer der Zerstörer) Musterung sein soll. Wir müssen alles blitzsauber herrichten und uns dann in 1. Garnitur schmeißen. Der F.d.Z., unser oberster Herr und Gebieter, kam dann auch und hielt uns eine kurze Rede. Sein Name ist Konteradmiral Kreitsch. Er machte einen sehr energischen, straffen Eindruck. Mittags ass er auch bei uns an Bord und so gab es dementsprechend ein besonders gutes Essen.

14.2.1945

Der ganze Tag war mit Ausbildungsdienst angefüllt. Wir haben wahrlich eine ganze Masse zu lernen an Bord und die Themenreihe dünkt uns ewig. Aber was Andere konnten, müssen wir wohl auch fertig bringen. Zum großen Teil macht es auch viel Spaß und was weniger Spaß macht, ist halt nötig. Unser Unterricht erstreckt sich über viele seemännische Themen, Navigation, Maschinenkunde, Signaldienst, usw.

15.2.1945

Aus ist es mit der Ruhe. um 7:00 Uhr ist Seeklar. Wir müssen ein Geleit, darunter das Lazarettschiff "Monte Rosa", nach Gotenhafen bringen. Ziemlich bewegte See und ein schauderhaftes Wetter, mit einer tollen Kälte. Mit einer Fahrtstufe von 15 Sm. fahren wir gen Gotenhafen. Nur selten fahren wir schneller als 15-20 Sm. und auch nur, wenn wir ohne Geleit sind. Unsere Boote können sonst bis zu 40 Sm/h. fahren, aber schon 20-25 ist ein Spaß.

16.2.1945

Weiter geht die Fahrt. Plötzlich eine laute Detonation und vor dem Lazarettschiff steht eine Wassersäule. Eine Mine ist hochgegangen, wohl durch irgend eines der Räumgeräte. Etwa eine Stunde später eine zweite Detonation und diesmal hat es die "Monte Rosa" erwischt, sie hat einen Minentreffer achtern erhalten. die Maschinen laufen nicht mehr und das große Schiff sinkt langsam hinten tiefer. Gott sei Dank sollen Verwundete erst geholt werden. Zum Glück halten die Schotten des Schiffes und es sinkt nicht weiter oder doch nur sehr, sehr langsam. Wir wollen nun versuchen das wunde Schiff abzuschleppen und gehen längsseits. Wir werden aber durch die hohe See derart gegen das Schiff gedrückt, dass unsere Brücke und die eine Seite schwer beschädigt werden. Unser Boot besteht nun mal bloß aus Stahlblech! So müssen wir also mit dem Gewehr eine Leine zum Lazarettschiff rüberschießen, mit deren Hilfe die Schlepptrosse angebracht wird. Kaum begannen wir nun abzuschleppen, als die Alarmklingeln Fliegeralarm rasselten. Und schon sahen wir zwei Flugzeuge unser ziemlich aufgelöstes Geleit anfliegen und gleich darauf lösten die Flugzeuge Torpedos aus, allerdings aus großer Entfernung und so ohne Erfolg. Immerhin war das Ganze sehr gefährlich, denn nach einem Torpedotreffer wäre die "Monte Rosa" rettungslos abgesoffen und wir wären an sie, das große Schiff, vielleicht noch gefesselt gewesen. So mussten wir die Trosse kappen und uns frei machen. Trotzdem gelang es, nach Stunden, das Schiff mit Hilfe eines großen Schleppers nach Gotenhafen einzuschleppen. Die Torpedoflugzeuge waren Briten gewesen, nach dem Angriff aber abgeflogen.

Lazarettschiff Monte-Rosa nach Minentreffer Verunglückter im Bootsmannstuhl 17.2.1945

Normaler Dienst in Gotenhafen, mit einiger Freizeit. Diese freie Zeit benutze ich immer, um Briefe zu schreiben, nach Hause, an Margret, an Oma und wenn die Zeit dann noch reicht an Freunde und Bekannte. Die Post ist überhaupt so ein Faktor! An Bord erreicht sie uns ziemlich schwer und immer sehr verspätet, weil wir ja immer in einem anderen Hafen sind. Wenn man dazu noch bedenkt, dass die Post meiner Lieben aus Spanien kommt, so dauert es immer 4, 5 oder 6 Wochen, oft noch länger, bis man etwas hört. Und dabei ist die Post im Soldatenleben mit das Wesentlichste

18.2.1945

Sonntag. Meistens hat man am Sonntag keine Ruhe, denn das ist der "Marinereisetag" und so war auch heute unsere Hoffnung nur ein Traum, denn wenn es bis Mittag mit "Reinschiff" genug war, so wurde unser Hoffen auf einen mehr oder minder ruhigen Nachmittag gründlich gestört, denn um 17:00 h. war Seeklar! Wir mussten ein Geleit nach Sassnitz geleiten. Im Geleit war der 20.000 BRT große Dampfer "Deutschland". Die Fahrt war bei herrlichem Wetter ein Genuss, vor allem da wir etwas rascher fuhren, weil die "Deutschland" schneller konnte als die sonst üblicherweise geleiteten Schiffe. Es ist schon ein schönes Bild so ein Geleitzug!

Vor Libau mit Fährschiff 'Deutschland' 19.2.1945

In Sassnitz gingen wir nur für etwa zwei Stunden auf Reede vor Anker, dann liefen wir schon wieder aus, im Geleit nach Gotenhafen, mit den großen Schiffen "Hansa" und "Pretoria". Die "Pretoria" war zum Lazarettschiff umgebaut worden. Auch diese Fahrt war bei schönem Wetter herrlich, wenn auch die Kälte sehr störte.

20.2.1945

Vormittags liefen wir in Gotenhafen ein. Gleich ging der normale Dienst los, d.h. Unterricht, Reinschiff, usw. Überhaupt ist "Reinschiff" der Hauptbestandteil des Dienstes bei der Marine, Motto "mache Reinschiff und du bleibst gesund". Zum Teufel, viel Ruhe hat man wirklich nicht.

21.2.1945

Und wieder verlief der Tag mit Ausbildungsdienst. Aber ruhig zu Ende ging der Tag nicht, denn um 21:00 h. war wieder Seeklar. Diesmal mussten wir im Geleit nach Libau. Es sind wieder zwei dicke Dampfer, geleitet von Torpedobooten. Während .der ganzen Fahrt herrschte pottdichter Nebel, keine 10 m. weit konnte man sehen. Und das war vielleicht unser Glück, denn es waren russische U-Boote und Schnellboote gemeldet. Aus diesem Grunde mussten beide Kriegswachen auf Station und somit kamen wir nicht zum Schlafen. Also, ein Vergnügen ist es nicht, eine ganze Nacht bei klirrender Kälte, eisigem Wind, starkem Seegang und furchtbarer Müdigkeit ununterbrochen an seiner Waffe zu stehen und dann dauernd durchs Fernglas in Nacht und Nebel zu schauen, nach U-Booten, Torpedolaufbahnen, Flugzeugen.... Denn, ob Tag oder Nacht, der Ausguck darf nicht ruhen.

22.2.1945

Früh um 7:00 h. liefen wir in Libau ein und gingen auf der Reede vor Anker. Die Dampfer liefen in den Hafen ein. Die Kriegsfront ist nur 25 Km. von Libau weg und man kann von Bord aus die Artillerieeinschläge sehr gut beobachten. Auch Luftkämpfe sind wunderbar zu sehen! Abends, um 18:00 h, sollten wir wieder nach Gotenhafen auslaufen, aber es ist wegen des gar zu dichten Nebels nicht möglich.

23.2.1945

Tagsüber Ausbildungsdienst und Kutterpullen in Libau. Um 17:00 h. ist dann plötzlich Seeklar und wir fuhren allein mit dem Fährschiff "Deutschland", das Panzer geladen hatte, nach Gotenhafen. Nach Libau oder von Libau weg wird meistens nur in der Nacht gefahren, denn diese Gewässer sind sehr mit russischen S- und U-Booten verseucht, denn da die Kurlandfront ja abgeschnitten ist, beherrschen und besitzen die Russen ja einen großen Küstenstreifen zwischen Libau und Gotenhafen. Somit konnten sie auch in das Seegebiet dort eindringen.

24.2.1945

Um 8:00 h. Einlaufen in Gotenhafen. Zwei Stunden später liefen wir wieder aus und fuhren nach Danzig in die Werft. Wir gingen für eine kleine Reparatur ins Dock. Durch die vielen Einsätze kommt man doch an viel Orte und lernt viele Städte kennen, zu deren Besuch man normalerweise wohl nie gekommen wäre.

25.2.1945

Vormittags plötzlich ausdocken und Auslaufen nach Gotenhafen. Dort wird Öl übernommen und das Boot seeklar gemacht. Für 17:00 h. kommt denn auch schon der Seeklarbefehl. Mit "T-12" zusammen geleiten wir den Dampfer "Bukarest" nach Libau. Seegang 5 und furchtbares Wetter. Den größten Teil der Nacht auch wieder beide Wachen auf Station.

26.2.1945

Einlaufen in Libau am Vormittag. Trotz großer Müdigkeit, geht der Dienst gleich lustig los. Zur Abwechslung gleich mit Gefechtsdienst. Enderfolg ist jedenfalls, dass um 21:00 h. wieder Seeklar ist und wir mit der "Bukarest" nach Swinemünde auslauten. Draußen unvorstellbarer Sturm, Windstärke 7-8 und ein Sauwetter. Wenn ich bis jetzt die Ostsee auf der Karte etwas verächtlich betrachtet hatte, so wurde ich bald belehrt, dass die Ostsee so ganz harmlos nicht ist, denn unser Boot lag bis zu 40° und gar 45° auf der Seite! Mehr darf es sich nicht überlegen. Diesmal habe ich denn auch "opfern" müssen, wenn ich mich bisher auch heldenhaft hielt. Bei uns im Deck sah es haarsträubend aus, das Wasser stand 5 cm. hoch darin und schwappte von der einen Ecke in die andere, das Backsgeschirr klirrte umher, die Bänke badeten in der Soße, also ein Chaos. Zum Glück hat alles ein Ende.

27.2.1945

Weiter geht die Fahrt nach Swinemünde, langsam ebbt der Sturm etwas ab, aber dafür kommt ein Nebel auf, der so dicht ist, dass wir nicht in den Hafen einlaufen können und so ankern wir vor der Hafeneinfahrt. Erst in der Nacht, um 1:30 h., konnten wir einlaufen und festmachen.

28.2.1945

Eine kurze Atempause hätten wir ja nun ganz gut gebrauchen können, aber Pustekuchen, um 15:00 h. war wiederum Seeklar und wir fuhren nun, mit noch zwei weiteren Torpedobooten, aber ohne Geleit nach Sassnitz. Bei mäßig bewegter See war es eine schöne Fahrt, weil wir ohne Geleit schneller fahren konnten.

01.3.1945

Morgens kamen wir vor Sassnitz an und ankerten auf Sassnitz Reede und zwar nur für kurze Zeit, denn bald darauf war Seeklar und wir liefen mit der "Pretoria", 2 M-Booten und l F-Boot aus. Es kam ein toller Sturm auf und gegen Mittag sahen wir uns gezwungen wieder umzukehren, da die M-Boote bei dem Seegang nicht ausgehalten hätten, das Wasser lief ihnen manchmal zum Schornstein herein! So fuhren wir also bei wüstem Geschaukel dieselbe Strecke zurück und liefen am Abend wohlbehalten wieder Sassnitz Reede an, wo wir vor Anker gingen. In der Nacht mussten wir eigens einen Ankerposten stellen, weil der Sturm auch auf der Reede noch so stark war, dass die Gefahr bestand, ein Anker konnte brechen.

02. und 03.3.1945

Beide Tage lagen wir auf Reede und konnten des Sturmes wegen nicht auslauten, fuhren nur einmal zur Wasser- und Ölaufnahme in den Hafen von Sassnitz ein.

04.3.1945

Das Wetter hat sich soweit beruhigt, dass wir auslaufen können. um 8:30 h. gehen wir Ankerauf und fahren im Großgeleit nach Gotenhafen, unter anderen sind die Dampfer "Pretoria" und "Antonio Delphino" dabei. In der Nacht gibt es plötzlich U-Bootalarm. Es ist ein U-Boot gesichtet worden und wir schießen nun mit der 10,5 Leuchtgranaten, worauf das U-Boot verschwindet, bevor es von uns angegriffen werden kann. Eine Verfolgung können wir nicht aufnehmen, da Sicherung des Geleites vorgeht.

05.3.1945

Vormittags Einlaufen in Gotenhafen. Am Nachmittag ist dann Musterung für alle (überlebenden) Boote der Flottille. Wir standen im Karree angetreten und dann kam ein Admiral, der eine Ansprache hielt, in der er den Einsatz der 2.Torpedobootsflottille lobte und der unserem Flottillenchef das verliehene Ritterkreuz aushändigte. Somit eine Auszeichnung für die ganze Flottille. Danach war kein Dienst mehr und am Abend gab es sogar noch einen Punsch, womit wir das Ereignis des Tages begossen.

06.3.1945

Seeklar um 8:00 h. Wir fuhren vor Zoppot (ehemals berühmter Badeort) hin und her um zu "kompensieren". Am Nachmittag fuhren wir dann nach Danzig in die Werft, wieder zu einer kleinen Reparatur.

07.3.1945

Wir liegen in der Werft. Der Tag verlief mit Dienst und das einzige Ereignis war ein Fliegerangriff der Russen in der Nacht. Es war nur ein mittlerer Angriff, aber "T-9" erhielt einen Bombentreffen und hatte Tote und Verletzte. Weitere Bomben gingen 400 m. von uns weg neben der "Monte Rosa" runter, die zur Reparatur in Danzig liegt und beinahe wieder eins verpasst bekommen hatte.

08.3.1945

Am Vormittag Rückfahrt nach Gotenhafen, wo wir das Boot wieder in Schuss bringen. Abends ist dann auch wieder Seeklar und das Ziel ist diesmal weiter weg und sehr erfreulich: Kopenhagen. Die Fahrt mit einem Geleit, mehreren T-Booten und einem Zerstörer ist bei schönem Wetter und ruhiger See herrlich.

09.3.1945.

Weiterfahrt nach Kopenhagen, ohne, dass sich etwas Besonderes ereignete, natürlich das logische Wache schieben und für uns Kadetten Ausbildungsdienst.

Von Gotenhafen nach Kopenhagen 10.3.1945

Früh um 8:00 h. Einlauten in Kopenhagen. Wir übernehmen Öl und legen uns dann an die "lange Linie", wie die Pier heißt. Und dann geht es an Land! Einige Kronen haben wir erhalten und nun wird eingekauft, all die Herrlichkeiten, die es hier noch gibt: Butter, Eier, Kuchen, Schinken, Bonbons, Milch, Sahne, usw. , also alles was das Herz, bzw. der Magen begehrt. Die "Speckfront" heißt es ja auch, wenn man nach Dänemark kommt und das nicht zu Unrecht.

11.3.1945

Weiter geht das gute Leben, bis um 18:00 h. der Herrlichkeit durch Seeklarbefehl ein Ende gemacht wird. Mit einem Großgeleit lauten wir in Richtung Gotenhafen aus, Die "Pretoria" ist mit dabei.

12.3.1945

Die Fahrt nach Gotenhafen geht weiter, keine besonderen Ereignisse. Wir hören, dass die Russen kurz vor Gotenhafen stehen!

13.3.1945

Beim Einlaufen in Gotenhafen ist schon der Teufel los! Alle Schiffe liegen auf Reede, weil die Russen mit ihrer Artillerie nach Gotenhafen hereinschießen. Im Hafen liegt nur noch der leichte Kreuzer "Leipzig", der das Feuer mit seinen 15 cm. Geschützen erwidert. Es ist ein tolles Gedonner! Wir laufen mit drei Booten in den Hafen ein, "T-3" und "T-5" übernehmen Flüchtlinge und unser Boot räumt die Flottille. Gotenhafen wird geräumt! Es ist nicht mehr zu halten und dabei wimmelt die Stadt noch von Ostflüchtlingen! Der reine Wahnsinn! Am Abend laufen wir aus, unser Boot fährt nach Libau, um einen kleinen Tanker zu geleiten.

14.3.1945

Fahrt nach Libau und abends Einlaufen

15.3.1945

Gleich morgens um 8:00 h. wieder Seeklar. Mit dem Dampfer "Vale" fahren wir nach Swinemünde. Es herrscht sehr dichter Nebel, scheinbar eine ständige Begleiterscheinung hier oben, aber das ist andererseits wieder unser Glück, denn nach Meldungen haben die Russen Schnellboote auf uns eingesetzt und unsere Geräte orten auch S-Boote in ziemlicher Zahl um uns herum. Aber der Nebel behindert sie am Angriff, weil er zu dicht ist, denn leichter Nebel wäre sonst kein Hinderungsgrund, eher das Gegenteil.

16.3.1945

Es geht weiter nach Swinemünde. Vor Kolberg ankern wir und man hört starkes Artilleriefeuer, um Kolberg wird heftig gekämpft. Mehrere Zerstörer laufen, mit Truppen und Flüchtlingen beladen, von Kolberg aus, Diese Zerstörer hatten mit in den Kampf eingegriffen. Die ganze Nacht über musste wegen Fliegerangriffgefahr Wache gegangen werden, wir waren inzwischen ausgelaufen.

17.3.1945

In der Früh Einlaufen in Swinemünde. Wir sind allein hier angekommen. Die Boote "T-3" und "T-5" sind, voll mit Flüchtlingen beladen, vor Hela von einem russischen U-Boot torpediert worden und gesunken! Von den Flüchtlingen ist ein großer Teil ertrunken, von den Mannschaften konnten sich viele retten, weil sie Schwimmwesten hatten (diese abzugeben war der kämpfenden Truppe streng verboten). Unverantwortlich dieser Abtransport der Flüchtlinge (so dachte ich damals, aber...). Auch das KdF-Schiff "Wilhelm Gustloff" ist mit mehreren Tausend Flüchtlingen gesunken, von denen der größte Teil umkam.

18.3.1945

Swinemünde. Vormittags Fliegeralarm. Die Stadt wurde vor einigen Tagen schwer angegriffen und furchtbar zerstört. Tausende kamen um, viele Flüchtlinge darunter. Da ein weiterer Angriff erwartet wird, laufen alle Schiffe aus und ankern auf Reede.

19. - 22.3.1945

Wir liegen in Swinemünde, ohne einsatzbereit zu sein, weil unser Kommandant ernstlicher erkrankt ist.

23.3.1945

7:30 h. endlich wieder Seeklar. Es geht im Geleit wieder in Richtung Gotenhafen. U-Boot Alarm! Wir bekämpfen ein unbekanntes U-Boot mit Wasserbomben und durch Beschuss mit unserer 10,5 cm. Kanone (frage mich heute wieso?), ein sichtbarer Erfolg, etwa Ölflecken oder Trümmerteile, war nicht da, eine weitere Verfolgung nicht möglich, immer wieder, weil der Schutz der geleiteten Schiffe Vorrang hatte.

24.3.1945

Ganz früh morgens kamen wir vor Hela an. Gotenhafen und Danzig sind von den Russen besetzt, durch Unmengen von Flugblättern fordern sie Hela zur Übergabe auf. Schon zehn Meilen von Gotenhafen weg hört man das ununterbrochene Schiessen der Artillerie und sonstiger Waffen an Land und das Schiessen der Türme unserer großen Schiffe, der schweren Kreuzer "Prinz Eugen" und "Admiral Scheer" und der Zerstörer, die jetzt nach Gotenhafen hineinschießen, um die russischen Batterien zum Schweigen zu bringen. Heute soll keinen Augenblick Ruhe sein, denn es folgt ein Fliegerangriff auf der anderen, in Wellen greifen die Russen die vor Hela liegenden Kriegs- und Handelsschiffe an. Sämtliche Schiffe schießen wie besessen mit ihren Flakwaffen und der Himmel ist übersät mit den Spuren der Leuchtspurgeschosse, die rote, grüne und weiße Spuren ziehen. Es ist ein unbeschreibliches Bild, die stürzenden und ihre Bomben auslösenden Flugzeuge, die detonierenden Bomben, die in den Hafen von Hela und zwischen die auf Reede liegenden Schiffe fallen und das Feuer der vielen, vielen Schiffsgeschütze (unser Boot hat allein 16 Rohre, ohne die Rags!), Auch die Nacht ist nie ruhig, die Artillerie schießt laufend weiter und der Himmel ist erhellt durch Leuchtgranaten, Leuchtfallschirme und Leuchtkugeln aller Farben.

25.3.1945

Weiter vor Hela. Heute ist nicht so viel los, weil dichter Nebel herrscht. Erst gegen Nachmittag und als wir um 18:45 h. Seeklar machen, geht der Tanz vor neuem los. Es geht, im Geleit, wieder nach Kopenhagen.

26.3.1945

Vormittags um 7:00 h. Ankunft in Kopenhagen. Wir können wieder an Land und kaufen natürlich tüchtig ein (weich ein Kontrast zum Elend an allen Fronten, im deutschen Vaterland und vielen anderen Ländern!). Ich gehe in Kopenhagen mit einem Kameraden spazieren, lasse mich fotografieren und sehe mir die schöne Stadt an, in der eigentlich, äußerlich, tiefer Frieden herrscht.

27.3.1945

Um 7:00 h. früh ist schon wieder Seeklar, Es geht aber auch laufend, zur Ruhe kommt man überhaupt nicht mehr und dabei könnten wir etwas Schlaf zu gut gebrauchen. Es geht wieder nach Hela und zwar bringen wir, mit "T-101" ein Geleit rauf.

26.3.1945

Früh ankerten wir auf der Reede von Hela, Der Kanonendonner an Land ist nicht mehr so stark, weil sich unsere Truppen zum größten Teil auf die Halbinsel Hela zurückgezogen haben und um Gotenhafen der Kampf aufgehört hat. Jetzt schießen nur noch unsere Schiffe und die russischen Batterien. Wieder hatten wir laufend heftige Luftangriffe zu überstehen und es gab das übliche Hexenkonzert. Die Angriffe waren heute besonders ungemütlich, weil der Himmel ziemlich bewölkt war und wir die angreifenden Flugzeuge kaum sehen konnten. Meistens hörten wir nur das Motorengebrumme und merkten erst was los war, wenn die Bomben niedergingen. Schiessen konnten wir nur, wenn sich die Flugzeuge zwischen den Wolken für Sekunden zeigten.

29.3.1945

Vor Hela. Drei Kutter, vollgestopft mit Flüchtlingen, kamen bei uns längsseits und wir übernahmen nun 250 Frauen, Mädchen, Kinder, Greise und Verwundete auf unser Boot, das 130 Mann Besatzung hat! Es war ein unbeschreibliches Gedränge und Geschrei, ein Bild des Elends, das man nicht recht wiedergeben kann. Wir kamen überhaupt nicht mehr unter Deck. Um 20:00 h. Seeklar und Fahrt nach Kopenhagen, um unsere arme "Last" zu retten. Zum Glück war die See ruhig. Das einzig Nette an diesem Flüchtlingstransport waren die Kinder, die, obwohl sie genug durchgemacht hatten, sich ihrer Lage nicht recht bewusst waren und mit uns herumspielten wie zu Hause. Alles wollten sie wissen und anfassen. Es gab mehrere Donnerwetter, weil die Gören in die Telefone und Befehlsübermittler hineinquasselten.

30.3.1945

In See, Richtung Kopenhagen. Keine besonderen Ereignisse, außer Vortags beschrieben und das zu unserem und der armen Ostflüchtlinge Glück.

31.3.1945

um 7:30 h. morgens liefen wir in Kopenhagen ein. Wir gaben die Flüchtlinge von Bord, was auch wieder ein nettes Theater wurde. Und unser Boot sah aus! Man stelle sich vor, die kleinen Kinder, die während der Fahrt nicht raus konnten, um ihre Notdurft zu verrichten, dann die Papiere, Essensreste, usw., die sie hinterlassen hatten, also alles in Allem ein tolles Durcheinander. Unsere Hauptaufgabe war es fürs Erste, unser Boot wieder in normalen, voll Einsatz fähigen Zustand zu bringen, erst dann konnten wir wieder an Land, um uns zu laben.

01. und 02.4.1945

Osterfeiertage und sogar unter den damaligen Umständen (5 Minuten vor 12) , blieben wir in Kopenhagen an der Pier liegen, sodass wir das Ostertest gebührend feiern konnten.

03.4.1945

Mittags Seeklar. Wieder geht es nach Hela in Geleit und mit uns als Geleitschutz wieder "T-101". Die See ist ruhig und das Wetter, wenn auch kalt, schön. Das Unternehmen geht bis Hela ohne große Aufregungen vonstatten.

04.4.1945

Auf See in Richtung Halbinsel Hela,

05.4.1945

Einlaufen in Hela in der Früh. Die russische Artillerie schießt von Gotenhafen aus, ohne uns erreichen zu können. Die Reichweite ihrer Geschütze ist um 2-300 m. zu kurz. Einmal gelingt es ihnen, ihr Feuer um diese Entfernung zu verlegen und da erzielen sie einen Treffer auf den Walfänger "Unitas". Die Schiffe verlegen nun alle ihren Liegeplatz etwas und schon erreichen uns die russischen Geschütze nicht mehr. Plötzlich müssen wir Kadetten, mitten im Krabatz, in erster Garnitur auf dem Oberdeck antreten. Unter Artilleriefeuer von Gotenhafen aus. werden wir nun zu Seekadetten befördert. Vorher nannte man uns nur so. Jetzt waren wir, um die "Uhrzeit" so halbe, kleine Offiziere. An diesem Tag lassen uns immerhin die russischen Flieger in Ruhe.

06.4.1945

Weiter vor Hela auf Reede. Es gab wieder Fliegerangriffe der Russen auf unsere Schiffe, aber alle Bomben gingen daneben.

07.4.1945

Gegen Mittag Seeklar. Wir liefen nach Kopenhagen aus, wohin wir die Dampfer "Potsdam" und "Antonio Delfino" bringen sollen. Die Fahrt verlief ruhig, die Wache war natürlich permanent.

08.-10.4.1945

Einlaufen in Kopenhagen, wo wir bis 10.4. festlagen und wir frischgebackenen Seekadetten praktisch nur Ausbildungsdienst hatten. Ausgang wurde leider gesperrt, weil Sabotagegefahr bestand und angekündigt worden war. Wir machten am 09.4. lediglich eine M.E.S.-Fahrt vor Kopenhagen.

11.4.1945

Noch in Kopenhagen. Auf dem Hilfskreuzer "Orion", der in Kopenhagen liegt, treffe ich Kameraden von der Rekrutenausbildung in Stralsund. um 20:00 h. Seeklar. Wir verlassen mit dem Lazarettschiff "Pretoria" Kopenhagen, um wiederum nach Hela zu fahren. Unser erstes Ziel ist der Ankerplatz "Grün Null 3", Sammelplatz.

12.4.1945

Wir ankern am Sammelplatz. Hier stoßen noch das Fährschiff "Deutschland" und der Dampfer "Essberger" zu uns, die mit im Geleit nach Hela sein sollen. Al weiterer Geleitschutz fahren andere T-Boote und Torpedobootszerstörer mit uns.

13.4.1945

Am Ankerplatz.

14.4.1945

Noch am Ankerplatz, aber abends Seeklar und Fortsetzung der Fahrt nach Hela.

15.4.1945

Früh um 6:00 h. Eintreffen vor Hela. Die Russen schießen schon bei unserer Ankunft mit Artillerie und nehmen gleich das Lazarettschiff "Pretoria" unter Feuer! Der Tag verspricht nett zu werden und wird es! Kurz nach dem Artilleriebeschuss kommen die russischen Flieger in starken Wellen. Unsere Flak schießt wie wild, aber stur fliegen die Russen durch unser Feuer, ohne sich darum zu kümmern, was um sie herum geschieht und geradezu auf die "Pretoria" zu. Nur auf das Lazarettschiff haben sie es abgesehen! Über dem Schiff kippten sie ab und lösten ihre Bomben, die alle in unmittelbarer Nähe der "Pretoria" detonierten. Wie durch ein Wunder erhielt das Lazarettschiff nur einen Treffer und zwar bei dritten Angriff. Dabei fing das Achterdeck Feuer und brannte lichterloh. Nur durch geschickte Manöver des Kapitäns konnte das Feuer gelöscht werden. Diese Russenschweine, man hat sie richtig kennen gelernt! Abends liefen wir mit dem Fährschiff "Deutschland" aus, die "Pretoria" folgte, mit Zerstörern als Geleitschutz, nach. Sie wurde noch einmal angegriffen und erhielt einen weiteren Treffer.

16.4.1945

Von Hela nach Swinemünde in See. Die "Pretoria" stieß zu uns, mit schwerer Schlagseite, aber es gelang uns noch das angeschlagene Schiff zu retten. Dies war das letzte Mai, dass wir vor Hela waren, unsere Einsätze nach dem Osten sind hiermit zu Ende. Wir liefen in Swinemünde ein und übernahmen dort Tarnnetze, Wir sollen nach Travemünde, in den Fluss Trave fahren, um dort als Flakschutz zu liegen.

17.4.1945

Wir liegen in Swinemünde.

18.4.1945

Um 14:00 h. Seeklar. Wir liefen aus, mit Kurs nach Travemünde. Unsere Boote sollen vorerst nicht mehr eingesetzt werden (keiner ahnte, dass wir nie mehr zum aktiven Einsatz auf See kommen würden).

19.4.1945

Fahrt nach Travemünde,

20.4.1945

Einlaufen in Travemünde. Wir übernehmen noch mehr Tarnnetze und auch Bretter und Flösse, um unser Boot gegen Fliegersicht zu tarnen und mit dem Land zu verbinden.

In Travemünde 21.4.1945

Wir liefen von Travemünde aus und die Trave aufwärts, in Richtung Lübeck. Etwa auf halbem Wege bis Lübeck legen wir uns ans Ufer und machen fest. Nun wird unser Boot getarnt und wir bauten einen Landungssteg, denn wir sollen fest liegen bleiben. Hier machten wir nun nur noch eine infanteristische Weiterausbildung durch, falls wir eventuell noch zu einem Fronteinsatz an Land kommandiert werden sollten!

22. - 27.4.1945

Wir lagen in der Trave, fest mit dem Land verbunden und taten, außer dem Ausbildungs- und Wachdienst, mehr oder weniger nichts. (Später habe ich mich gefragt: war der Grund Brennstoffmangel, Munitionsmangel oder wollte irgendeine unbekannte Befehlsstelle eine schützende Hand über die überlebenden Boote halten?).

28.4.1945

Plötzlich musste alles abgebrochen werden, also Stege zum Land weg, Tarnnetze weg und wir gingen Ankerauf und nach Travemünde, wo wir Öl übernahmen. Weiß der Teufel, was das geben soll, fragen wir uns. Die Lage an den Fronten ist ja so, dass man nichts mehr erwarten kann, im Hinblick einer Wende der Kriegsereignisse zu Gunsten des Deutschen Reiches (was davon noch übrig war). Das Einzige, was man erhofft ist, dass es wenigstens gegen die Russen weiter geht!

29.4.1945

Wieder in Travemünde.

30.4.1945

Seeklar. Mit "T-11" und "T-12" zusammen fahren wir nach Kiel. Was das soll ist keinem klar, es soll vielleicht gar nichts mehr?

Brunsbüttelkoog, wo wir kapitulieren mussten 01.5.1945

Morgens liefen wir in Kiel ein. Der Hafen sieht toll aus! Kreuzer "Emden" und viele andere Schiffe liegen, durch Bomben schwer getroffen, da. Festgemacht oder halb versenkt. Um 14:00 h. fuhren wir in den Kaiser-Wilhelm-Kanal ein und durch ihn hindurch. Wir sollen in die Nordsee (rückdenkend, weiter weg von der russischen Walze). Heute, um 23:00 h., erreichte uns die Nachricht über den Tod des Führers, der in Berlin gefallen ist (Selbstmord, wie man dann ja wusste). Damit wird jedem klar, dass der Krieg nunmehr Tage dauern kann und für uns verloren ist (was natürlich schon seit langem Millionen wussten, nur wir jungen Dummköpfe nicht). Diese Nacht kam ich nicht mehr zur Ruhe, ganz spät in der Nacht kamen wir in Brunsbüttelkoog an und legten uns an die Pier.

02.5.1945

Brunsbüttelkoog. An der Pier lagen wir den ganzen Tag und es wurden Geheimsachen, Karten, usw. verbrannt. Wir bereiteten das Boot zur Sprengung vor, legten Zündladungen an und brachten Wasserbomben unter Deck. Später kam der Befehl, dass das Boot nicht zu sprengen sei, es sollte intakt den Briten übergeben werden, um keine Repressalien heraufzubeschwören. Wir gehen noch einmal Ankerauf und durch die Schleusen und liegen so in der Nordsee, aber wohl noch in der Elbe. Gerade da und noch ein letztes Mal schießen wir aus allen Rohren, als sich britische Flugzeuge zeigen. Sie drehen aber ab. Dann tritt aber Waffenruhe ein und unsere Waffen müssen von nun an schweigen. Wir liegen nun, bis zum 15.Mai, vor Brunsbüttelkoog.

Alf im Achterdeck, nach der Kapitulation 07.5.1945

Heute hat Deutschland bedingungslos kapituliert! Die ersten britischen Truppen erscheinen bei Brunsbüttelkoog und wir holten selber unsere Kriegsflagge nieder, die die gesamte angetretene Besatzung zum letzten Mal grüßte. Unser letzter, offener, Funkspruch hieß : "Uns geht die Sonne nicht unter! Es lebe die 2. Torpedobootsflottille!" Seit dem heutigen Tag kamen wir in englische Gefangenschaft, wir durften den Ort nicht mehr verlassen. Bis zum 15.Mai geschah nun nichts mehr, wir waren Gefangene an Bord unseres Schiff es. Am 10.5. gaben wir unsre gesamte Munition von Bord.

16.5.1945

Wir mussten heute unser Boot verlassen. Mittags gingen wir, nachdem drei Hurras auf "T-4" ausgebracht worden waren, von Bord. Wir marschierten nun nach Süden, wo wir in einer ehemaligen Flakbatterie bis auf Weiteres blieben. Wer weiß, was nun kommt, ob Entlassung oder etwas Anderes? Fast vier Monate war ich nun auf "T-4", Dass ich unser Boot unter solchen Umständen verlassen würde und dass meine angestrebte Seeoffizierslaufbahn so enden würde, hatte ich nie erwartet. Ich war eben mit ganzer Seele dabei. Im April erhielt ich, als erste und einzige Auszeichnung dieses Krieges, das "Zerstörer-Kriegsabzeichen" für Einsatze an Bord von "T-4".

Vom 16.5. - 28.7.1945 war ich dann im riesigen britischen Gefangenenlager nördlich des K.W.-Kanals, bis ich endgültig aus dem Dienst in der Kriegsmarine der Deutschen Wehrmacht entlassen wurde.

Jahr 1945

B/E: Bis 16. Mai an Bord "T-4", immer Geleitzugschutz, zuletzt nur Flüchtlingstransporte aus Ostpreußen. Dramatische Endkriegszustände. Anfang Mai letzte Fahrt, über Kiel, in den Kaiser-Wilhelm-Kanal und Kapitulation vor den Briten in Brunsbüttelkoog. Adolf Hitler hatte Ende April in Berlin Selbstmord begangen. Vom 16.5. - 28.7. Gefangenschaft im britischen Gefangenenlager, das nördlich des K.W.-Kanals bis zur dänischen Grenze ging, Wir mussten uns selber Hütten zusammenbasteln, denn Unterkünfte gab es nicht und Zelte zu wenig. Wir konnten relativ frei im Gebiet herumlaufen und bei den Bauern Milch erbetteln. Im Lager waren Karlos und ich zusammen, ohne voneinander zu wissen und uns zu sehen, die Menschenmassen waren ja auch enorm. Schon im Gefangenenlager, aber eben noch nicht entlassen, wurde mir und anderen Kameraden, in kleiner Zeremonie, das im April verliehene "Zerstörer-Kriegsabzeichen" angesteckt! Ende Juli Entlassung, nach Dachau, zu T.Elsa und O.Bernhard Fechter, wo ich Anfang August, nach langer Fahrt und meist in Güterwaggons, ab Hamburg und durch all die zerbombten Städte, ankam und dort Karlos antraf. Da waren auch Oma Menzell und T. Klara. Ich musste erfahren, dass mein Vetter Hans-Joachim Fechter in den letzten Apriltagen 1945 in Hans Joachim Fechter Provisorisches Grab von Hans Joachim Letzte Ruhestaette von Hans Joachim Niederösterreich gefallen war, keine 14 Tage vor Kriegsende!

Im November begann ich eine Tätigkeit, als Volontär, in Elektrofirma Zettler, A. G, in München. Es war ein saukalter Winter 1945/46, fast ohne Heizung und nachts gefror der Atem im Bett an der Nase. Essen war sehr, sehr bescheiden, viel Kartoffelsuppen, dabei hatte T.Klara zu unserer aller Glück noch etliche Dosen Fleisch, Wurst, etc. horten und verstecken können. Abuelita Enriqueta Casasus Abuelitas Aufbahrung, 22.11.45 Es erreichte uns aus Madrid die Nachricht, dass "Abuelita" Enriqueta Casasus gestorben war (22.10.45), wohl über die Schweiz und Lolita Schürch, denn sonst war der Postverkehr gesperrt. Über Lolita, unsere Cousine, Tochter von Mamas verstorbener Schwester Carmen, wussten unsere Eltern auch, dass Karlos und ich das Kriegsende überlebt hatten. T.Elsa, Karlos und ich fuhren ins Dachauer Moor, um Torf zum Heizen zu holen und nach Ulm, um Äpfel zu kaufen, bzw. einzutauschen, gegen Dosen und Zigaretten.

F/U: Natürlich unter den gegebenen Umstanden keine, bzw. erzwungene oder "Freiheitsberaubung," wie man es nennen könnte. Immerhin fast 3 Monate "gezeltet" oder in zusammengebauten Unterkünften im Riesenlager der Gefangenen in Schleswig-Holstein gewohnt, das allerdings noch unter absoluter militärischer Ordnung.


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